Sonntag, 27. Februar 2011

Ich nähe meine eigenen Island MFS bei Meindl




"Build your own boots! With Gore-Tex and Meindl"

Am Sonntag den 20. Februar 2011 ist es endlich soweit:

An einem sonnigen Nachmittag fahre ich gemütlich nach Waging am See um mich dort im Hotel Wölkhammer mit den anderen Gewinnern der Aktion „Build your own boots“ aus dem Facebook zu treffen.

Gegen 17.00 Uhr bin ich dort, ein Teil wartet schon – der Rest trifft auch bald ein und Jürgen Kurapkat von Gore-Tex kann uns schon ein bischen was zum Projekt erzählen.

Zum Abendessen vervollständigt dann Lukas Meindl unsere Runde und an diesem gemütlichen Abend lernen wir uns schon mal alle kennen.

Am nächsten Morgen um 7.30 Uhr holt uns Eva, eine der tüchtigen Mitarbeiter der Firma Meindl ab und wir fahren zusammen nach Kirchanschöring zum Firmensitz des Schuhherstellers.

Nach der freundlichen Begrüßung durch Lukas Meindl erzählt uns dieser erst mal aus der Firmen-Geschichte, beschreibt die erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens in den letzten Generationen und freut sich auf die Zukunft in diesem interessanten Handwerk.

Nun aber beginnt für uns der spannende Teil: Produktionsleiter Alois Jauk führt uns in den 1. Stock der Produktionshalle. Dort stehen 10 Kisten, mit unseren Namen beschriftet bereit – darin ein Puzzle aus Einzelteilen. Lederstücke in verschiedenen Größen, in unterschiedlichen Stärken und Farbtönen, Gore-Tex-Futterteile für den Innenschuh, verschiedene Schaumstoffteile für die Polsterung, Verstärkungen, Gummistreifen und Vibramsohlen.

Wir sind erst mal erstaunt – aus diesem Wirrwarr sollen wir uns ein Paar Stiefel nähen?

Aber wir waren ja nicht allein: Rosmarie, Eva, Anni und noch einige versierte, hilfsbereite und erfahrene Näherinnen stehen uns zur Seite, erklären uns die Handgriffe, zeigten uns erst mal wie die Nähmaschinen funktionieren und warnen uns immer rechtzeitig davor, was falsch zu machen.

Als erstes wird das Innenetikett auf ein Stück Gore-Tex-Innenfutter gebügelt.

Dann fand ich mich mit acht einzelnen orangefarbenen Goretex-Teilen an der „Zackl-Maschine“ wieder. Das ist eine Nähmaschine, an der die Futterteile mit Zickzack-Naht aneinander geheftet werden. Die Kanten müssen exakt aneinander stoßen, auch bei der Fersenrundung darf nichts krumm sein und die Teile werden seitlich zusammen gezackelt.

Jetzt alle überstehenden Fadenenden entfernen, damit da kein Wasser durch Kapilarwirkung unter die danach aufgebrachte Nahtverklebung ziehen kann.

Die Nahtverklebung wird mit einer Maschine aufgebügelt, die entfernt ebenfalls wie eine Nähmaschine aussieht, aber unter einem Metall-Schutzgitter hat es bis zu 600° - an dieser Maschine muss man genau und schnell arbeiten, damit das Futter nicht verbrennt. Nach dem Abkleben wird die Naht auf Wasserdichtigkeit geprüft und die Stelle mit dem Prüf-Stempel versehen.

Dann am Zungenabschluss und seitlich noch das weiche Leder des Schaftabschlußes dran nähen und schon kann ich die untere Kante des Innenschuhs mit Leim vorstreichen.

Die Gore-Tex-Booties sind fertig.

Jetzt geht es an den Oberschuh.

Als erstes werden am Vorderschuh und seitlich gelochte Verstärkungen aufgebracht.

Die Maschine dafür fordert die Augen-Fuß-Koordination: auf eine runde Scheibe werden auf der vorderen Hälfte die Lederstücke mit den Verstärkungen gelegt, nun drücke ich auf den Fußschalter und die Scheibe dreht sich – meine Lederstücke verschwinden unter einer heißen Metallplatte und in dem Moment, in dem ich den Fußschalter auslasse stoppt die Scheibe und die Metallplatte drückt auf die Lederteile. Gar nicht so einfach, im richtigen Moment zu stoppen.

Dann geht es erst mal an die Nähmaschine. Die Teile der Zunge werden vernäht, das Etikett an das obere Stück, die Nähte gehen ja noch ziemlich einfach. Die Lederteile lassen sich leicht handhaben.

Auf die Rückseite wird eine Versteifung aufgeklebt.

Die Klebepistole hängt an einem Galgen und beim Druck auf den Hebel kommt ein sehr feines Gitter aus Klebstoff mit hohem Druck raus. Wir achten immer darauf, nicht zu viel Klebstoff aufzutragen, schließlich soll der Schuh später noch atmungsaktiv sein.

In den Anfangszeiten der Gore-Tex-Verarbeitung wurde da wohl großflächig geklebt, was dann die Funktion beeinträchtigt hat.

Als nächstes wird die Zunge gewalkt, dass heißt mit einer Maschine unter hohem Druck in Form gebracht, um sich später der Fußform anzupassen.

Jetzt noch den Haken an die Zunge nieten und schon hab ich wieder ein Teil fertig.

Als nächstes kommen die Näharbeiten am Außenschuh:

Ich nähe Verstärkungen an die Laschen für die Digafix-Haken, bearbeite das weiche Leder der Beugezone und nähe den weichen Schaftabschluß an den Knöchelschutz und bin mittlerweile soweit, dass ich auch die komplizierte Verbindung zwischen Fersenteil und Knöchelschutz mit einer schönen geschwungenen Naht schaffe.

Jetzt noch das Schuh-Vorderteil mit dem Fersenteil mit einer vierfachen Naht rechts und links zusammennähen – und erstmals hat das Lederteil schon Ähnlichkeit mit einem Stiefel.

Jetzt wird es wieder kompliziert, denn nun wird das weiche Leder zwischen Zunge und Schaft eingenäht, nicht ganz einfach, da hier Leder in zwei sehr unterschiedlichen Stärken miteinander verbunden werden muß.

Mit Hilfe von Rosmarie schaffe ich das auch und bin ganz stolz auf meine Nähleistung.

Auch wenn manche Naht krumm ist, öfter mal die Stiche unterschiedlich sind und auch der eine oder andere Faden noch entfernt werden muss.

Die nächste Tätigkeit macht mir wieder viel Spaß: jetzt werden die Haken und Ösen eingenietet.

Erst mal vorlochen, mit jedem Druck auf das Fußpedal wird ein Loch ins Leder gestanzt. Sehr genau achte ich darauf, den Fuß sofort wieder vom Pedal zu nehmen, um ja nicht meinen Schuh mit zusätzlichen Löchern zu versehen.

Die Nietmaschine ist mir dann schon wieder sympatischer: Hier muß ich nur die Öse einstecken und dann drücken – und wenn die Niete nicht fest genug sitzt, wird sie mit der Zange entfernt und das ganze noch mal gemacht.

Nun wird am Schaftabschluß der Innenschuh an den Außenschuh genäht und es geht wieder an die Klebepistole: die Polsterschäume werden an die richtigen Stellen des Schuhs geklebt. Mit Hilfe von Eva wird der Innenschuh faltenfrei und fachmännisch im Leder-Außenschuh befestigt.

Jetzt noch eine weitere Naht am Schaftabschluß, mit der Schere überstehende Futterleder-Teile entfernen – und ich bin begeistert: die Näharbeiten an meinen neuen Meindl Island MFS sind erledigt.

Erstaunt stelle ich fest, dass es bereits 15:30 Uhr ist – außer einer kurzen Pause zu Mittag mit einer Stärkung haben wir konzentriert den ganzen Tag an den Schuhen gearbeitet.

Lukas Meindl hat bereits den Schlüssel vom VW-Bus in der Hand – er will uns nun seine Heimat zeigen. Wir fahren zusammen nach Berchtesgaden, während der Fahrt ist er enttäuscht, dass er uns die Berge nicht zeigen kann, aber die Wolken hängen so tief, da können wir nur ahnen, wo der Watzmann und der Untersberg sind.

Erstmal geht es an den Königsee, dort auf der Bobbahn findet gerade das Training der Frauen für die Skeleton-WM statt. Begeistert zeigt uns Lukas gleich an der ersten Kurve wo wir die beste Sicht in die Eisröhre haben und die Rodler mit hoher Geschwindigkeit an uns vorbei rauschen.

Wir versuchen uns am fotografieren, aber meist haben wir nur die leere Bahn auf den Bildern. Was freuen wir uns wie kleine Kinder, wenn mal noch ein paar Füße oder ein unscharf zu sehender Rodler auf dem Bild erscheint.

Nach einem kleinen Spaziergang am See-Ufer entlang geht’s in die Stadt Berchtesgaden, im Hotel Edelweiß treffen wir bei einem Willkommens-Drink die Nachtwächterin Anita Glossner. In ihrer lustigen und kurzweiligen Art erzählt sie uns von der Geschichte der Stadt und zeigt uns manches Kleinod in Berchtesgaden.

Aber nun haben wir alle kalte Füße, es geht zurück ins Hotel Edelweiß, bei einem tollen Abendessen im Panorama-Restaurant (leider ohne Panorama wegen Dunkelheit und Wolken) unterhalten wir uns und fachsimpeln mit Lukas Meindl und Jürgen Kurapkat.

Müde und zufrieden geht es zurück zum Hotel Wölkhammer in Waging.

Am nächsten Morgen fahren wir wieder zusammen nach Kirchanschöring.

Heute wird der Schuh über den Leisten gezogen und die Sohle verklebt – was sich so einfach anhört besteht wiederum aus vielen verschiedenen Arbeitsgängen.

Erst mal teilen wir uns auf, der einen Hälfte der Gruppe zeigt Lukas das Werk, das Lederlager und ganz besonders das kleine Firmenmuseum mit vielen Erinnerungen und ganz besonderen Schuhen aus der Produktion von Meindl.

Die andere Hälfte der Gruppe bekommt erst mal einen für die eigenen Füße passenden Leisten, daran wird die Brandsohle angeheftet und nun geht’s an die meiner Meinung nach wichtigste Arbeit:

Der Schuh wird über den Leisten gezogen.

Erst mal kommt der Leisten in den fertig gestellten Schuh, jetzt wird das Ganze anhand zwei roten Laserlinien genau ausgerichtet und eingespannt – nun drücken sich viele Metallklammern über die Sohle, es klappert und scheppert- mit Luftdruck wird das das Ganze festgedrückt – und als sich die Klammern öffnen ist der Schuh fertig geformt.

Danach wird der Geröllschutzrand angezeichnet und mit Klebestreifen markiert, dann in verschiedenen Arbeitsgängen das Leder aufgeraut und mit Leim vor gestrichen. Um den Schuh nach unten wasserdicht zu machen wird eine patentierte Kunststoffmasse mit 160 °C aufgetragen und verklebt – nun kommt der Schuh auf ein Fließband und durchläuft quasi einen Kühlschrank.

Der Geröllschutzgürtel wird aufgerauht, vorgeleimt, die Sohle abgeschliffen, vorgeleimt und gestrichen – und ein versierter Mitarbeiter zieht den erwärmten Gummistreifen um den Rand des Schuhs. Er arbeitet sehr genau und wir freuen uns darauf, dass er darauf achtet, dass unser Name, der in den Geröllschutz eingraviert ist, schön platziert.

Jetzt wird wieder gereinigt, geschliffen, die Sohle aufgerauht, vorgestrichen – und der nächste wichtige Schritt steht an: die Sohle wird auf dem Schuh montiert.

Jetzt noch mit einer maschinellen Bürste die Kleberreste entfernen, das Leder säubern und bürsten und die Schuhbandl einfädeln, – dann sind sie fertig:

Meine neuen Meindl Island MFS – stehen vor mir und ich habs jetzt ganz eilig diese anzuziehen.

Die Erwartung steigt:

passen die Schuhe?

drückt irgendwas?

war es der richtige Leisten?

Schnell raus aus der Fertigung und rüber in den Musterraum, ich ziehe die Schuhe an und bin begeistert – genau meine Größe, sorgsam schnüre ich die Schuhe und betrachte einfach nur mein Werk.

Das sind sie: die Meindl Island hatte ich ja schon mal vor vielen Jahren. Ich weiß, dass diese Schuhe zu meinen Füssen passen und freue mich schon auf die nächste Tour damit.

Nun ist es bereits wieder 12:00 Uhr – wir stärken uns mit ein paar belegten Brötchen, vergleichen unsere Schuhe, fachsimpeln über die Arbeitsgänge und sind erstaunt, wie viel Arbeit in so einem hochwertigen Lederstiefel steckt.

Nun gibt es noch für die zweite Hälfte der Gruppe die Führung durch das Museum und übers Werksgelände.

Anschließend gibt es ein paar Fotorunden, wir tauschen uns über den heutigen Tag aus und Lukas fragt uns nach unseren Erfahrungen beim Schuhemachen.

Es war ein ganz besonderes Erlebnis, in diesen zwei Tagen habe ich viel über Schuhe erfahren, die engagierten Mitarbeiter bei Meindl haben uns so viel gelernt, gezeigt und erzählt – ich werde wohl in Zukunft Schuhe beim Kaufen viel genauer anschauen.

Mein besonderer Dank geht an die Firmen Meindl und Gore-Tex, die diese Aktion möglich gemacht haben. Insbesondere Lukas Meindl und Jürgen Kurapkat – und ganz besonders an die vielen tüchtigen Mitarbeiter bei Meindl, die sich die Zeit genommen haben uns beim Nähen und fertig stellen der Schuhe zu helfen.

Vielen Dank.

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